Traumakompetenz im alltäglichen Umgang immer wichtiger

Fachtag für Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendarbeit zu einem wachsenden Phänomen

Wolfgang Laubinger, Katrin Eckelmann, Andreas Thoeren, Knuth Grünheit, und Volker Kohlschmidt (v.l.) hatten Sabine Haupt-Scherer (2.v.r.) zum Fachtag über Traumaforschung eingeladen. (Foto: fra)

KIRCHENKREIS GÜTERSLOH – Zum jährlichen Fachtag für Mitarbeitende in der Jugendarbeit kamen im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Steinhagen rund 40 Hauptamtliche aus den Kirchenkreisen Bielefeld, Gütersloh, Halle und Paderborn zusammen. Unter der Überschrift „Traumakompe-tenz für die Kinder- und Jugendarbeit“ referierte Sabine Haupt-Scherer, Theologin, ausgebil-dete Traumapädagogin und Mitarbeiterin des Amtes für Jugendarbeit der westfälischen Lan-deskirche, über Wissenswertes aus der Hirnforschung und der Praxis zum Thema Trauma.

„Das alltägliche Verhalten von Kindern und Jugendlichen irritiert auch Mitarbeitende in der evangelische Kinder- und Jugendarbeit“, benannte die Referentin einen Anknüpfungspunkt an die Praxis der Teilnehmenden. Ihr Auftreten verwundere, irritiere oder werde oft als störend wahrgenommen. „Ihr biographisches Gepäck oder ihr ‚Erlebnisrucksack‘ und nicht die konkrete Situation sind dann oftmals der Hintergrund“, führte Haupt-Scherer weiter aus.

Die Traumaforschung ist, so Haupt-Scherer, eine junge Wissenschaft. Sie kommt ursprünglich aus Amerika und wird seit den 1990er Jahren auch in Deutschland immer wichtiger. „Das Konzept in die Kinder- und Jugendarbeit zu übertragen, ist ein spannender Prozess“, sind sich die vier kreiskirchlichen Referenten für Kinder- und Jugendarbeit Andreas Thoeren, (Bielefeld), Wolfgang Laubinger (Gütersloh), Katrin Eckelmann (Halle) und Volker Kohlschmidt (Paderborn) einig. Dass ein Trauma sich auf Prozesse im Gehirn auswirke, war für viele Teil-nehmende neu. Für Folgen im Denken, Fühlen und Handeln der Kinder und Jugendlichen fanden alle in einer Gruppenarbeit Beispiele. Andrea Melzer aus der Jugendarbeit in der evangelischen Kirchengemeinde Steinhagen betonte, „Traumatisierte Kinder brauchen Ver-lässlichkeit, verlässliche Regeln und verlässliche Erwachsene.“ Traumatisierte Kinder hätten oft die Erfahrung gemacht, dass Erwachsene nicht einschätzbar oder unzuverlässig waren und so zu einem Risiko wurden. Hilfe im Alltag bieten dann verlässliche und Sicherheit gebende Tagesstrukturen.

Lange Zeit habe man, so erläuterte Sabine Haupt-Scherer, hinter auffälligem Verhalten von Kindern und Jugendlichen ausschließlich andere Krankheiten vermutet. Traumatisierungen führen aber zu ähnlichem Verhalten. Zunehmenden Leistungsdruck in der Schule, zu wenig Bewegung im Freien oder zu wenig Zeit zum Abschalten tragen dazu bei, dass Traumatisierungen auffälliger werden und weniger gut ausheilen. Auch dass viele Eltern durch ihre Berufstätigkeit selbst unter hohem Druck stünden und damit weniger für die Kinder da seien, könnten Ursachen sein.

„Unser Ziel heute ist auch, Verständnis für traumatisierte Kinder und Jugendliche wecken und einige traumapädagogische Interventionen vorstellen“, erläuterte Sabine Haupt-Scherer eine Intension des Tages. Andrea Melzer, die sich schon länger mit dem Thema beschäftig, stimmte zu: „Ich verstehe die Kinder und Jugendlichen deutlich besser, seit ich mich mit Trauma-forschung beschäftigt habe.“ Sie ist wie viele andere froh, dass auch in Deutschland inzwischen Forschung rund um dieses Thema möglich ist. (fra)