Bielefeld. „Wenn Gott sagt: Ich mache alles neu, heißt das implizit. Das ist auch nötig.“ Diese Feststellung mit Blick auf die Jahreslosung für 2026: „Siehe, ich mache alles neu“ stellte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) Adelheid Ruck-Schröder an den Beginn ihres Berichts vor der Landessynode im Bielefelder Tageszentrum Assapheum. Auch die westfälische Kirche stehe in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. „Die Welt, die Kirche ist nicht so, wie sie von Gott her sein könnte“, sagte die Präses. „Die Kirche, die an den Gott glaubt, der seiner Welt das Neuwerden zumutet, kann nicht anders als sich selbst Veränderbarkeit zuzumuten.“
Um ihre Vorstellungen von kirchlichem Veränderungsbedarf zu konkretisieren, nannte Adelheid Ruck-Schröder zehn Punkte, die sie als ‚Lessons Learned‘ vorstellte. Zunächst ging sie auf die ökumenische Gemeinschaft ein, in der sich die Evangelische Kirche, insbesondere die Evangelische Kirche von Westfalen bewege. Sie erinnerte an Segensgesten, die ihr selbst bei ihrer Einführung ins Präsesamt im Juni dieses Jahres sowohl von dem palästinensischen Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land, Ibrahim Azar, als auch von dem niedersächsischen Rabbiner Gabór Lengyel zuteil geworden waren. Beide Männer seien anschließend miteinander ins Gespräch gekommen. „Das war ein Moment des Dialogs und der Verständigung. Ein Highlight meiner Einführung“, beschrieb Ruck-Schröder.
Die Präses ging auch auf die Vorgänge während ihrer Israelreise mit der Delegation des nordrhein-westfälischen Landtagspräsidenten ein. Sie berichtete, in intensivem und vertrauensvollem Austausch mit dem palästinensischen Bischof Azar zu stehen, der mit einer Formulierung in seiner Predigt zum Reformationstag für Irritationen gesorgt hatte. Der Vizepräsident des Zentralrat der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, hatte daraufhin den Gottesdienst in Jerusalem verlassen. Auch mit den Verfasser*innen eines kritischen offenen Briefes in Folge ihrer öffentlichen Äußerungen zu dem Vorfall habe sie mittlerweile konstruktive Gespräche geführt, berichtete Adelheid Ruck-Schröder. Wichtig sei ihr, die doppelte Verbundenheit deutlich zu machen; mit der jüdischen Gemeinschaft genau wie mit den christlichen Geschwistern in Palästina.
Als weiteren wichtigen Punkt nannte die Präses das feste Vorhaben, als diakonische Kirche für Gerechtigkeit standzuhalten. Dies insbesondere angesichts von Angriffen auf die religionsfreundliche Zusammenarbeit des demokratischen Staates mit den Kirchen. Ruck-Schröder beschrieb, dass sie mit Sorge die derzeitige Priorisierung der Politik wahrnehme, die Anzahl von Abschiebungen zu steigern. Sie würdigte ausdrücklich das vielfältige Engagement in Kirchenkreisen und Gemeinden, „die Botschaft der christlichen Nächstenliebe, des Zusammenhalts in der Gesellschaft und des christlichen Menschenbildes angesichts von rechtspopulistischen Hassparolen zur Sprache zu bringen.“
Als protestantische Kirche müsse die EKvW auch in anderen Zusammenhängen präsent in der Gesellschaft bleiben, postulierte die westfälische Präses. So stehe die evangelische Kirche als „Bildungsreligion“ unter anderem zum Religionsunterricht und zu Evangelischen Schulen. Es müsse noch mehr als bisher darum gehen, die Anmeldung zum Religionsunterricht aktiv zu bewerben, auch bei Eltern, die nicht Mitglied der Kirche seien, sagte sie. Zudem bejahe die EKvW als pluralitätsfreundliche Kirche konfessionelle Kooperation und das Gespräch mit anderen Religionen.
Im belastenden Themenbereich des Umgangs mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung kündigte die Präses die Erarbeitung neuer Standards der Aufarbeitung an. Diese fuße auf der Grundlage externer Empfehlungen, geschehe vor allem aber auch mit der Beteiligung von Betroffenen. Die stehe für die Landeskirche grundsätzlich im Vordergrund. Wo Schutzkonzepte in einzelnen Kirchenkreisen noch nicht wie erforderlich vorhanden seien, müssten diese bis spätestens Mitte kommenden Jahres erarbeitet werden.
Mit Blick auf anstehende Strukturveränderungen in landeskirchlichen Leitungsgremien verwies Adelheid Ruck-Schröder auf den diesbezüglichen Reformauftrag, der mit ihrer Wahl ins Präsesamt im Frühjahr dieses Jahres verbunden war. Im Rahmen der Reorganisation der Leitungsstrukturen sei man dabei, Verantwortlichkeiten und Entscheidungswege transparent zu ordnen. Zu aktuellen Veränderungen zähle auch ein Erprobungsgesetz mit dem Ziel, die Position des Juristischen Vizepräsidenten nach dem Rücktritt von Amtsinhaber Arne Kupke nicht unmittelbar neu besetzen zu müssen. Über dieses Erprobungsgesetz wird die Synode auf ihrer Herbsttagung entscheiden. Alle strukturellen Veränderungen würden zudem von dem laufenden Prozess zur Revision der Kirchenordnung flankiert.
Erprobt werden müssten in naher Zukunft überdies neue Wege der Kommunikation der Landeskirche, sowohl nach innen wie nach außen. Ruck-Schröder nannte als Beispiel eine erneuerte Kommunikationsstruktur im Rahmen der Konferenz der westfälischen Superintendent*innen. Ziel sei es, die Funktionen auf unterschiedlichen Leitungsebenen in gegenseitiger Arbeitsteilung fruchtbarer zu machen. Auch das Stichwort ‚Mitgliederkommunikation‘ sei als gemeinsames Thema identifiziert.
In Bezug auf die wirtschaftlichen Ressourcen kirchlicher Arbeit werde man auch in der nächsten Zeit den Konsolidierungspfad nicht verlassen, sagte die Präses. Zwar sei mit der landeskirchlichen Haushaltssicherung ein Meilenstein erreicht. Jetzt aber brauche es „eine klare Strategie und einen neuen Mix aus Bewahrenswürdigem und Neuem, mit dem wir Menschen erreichen.“ Dabei, so Ruck-Schröder, gelte es auch neue Kraft zu schöpfen, indem Dinge einfach gelassen würden. „Wir sind nicht verpflichtet, überkommene Strukturen, die nicht mehr passen, weiterzuführen“, ermutigte die Präses und erhielt dafür Beifall aus dem Plenum.
Zum künftigen kirchlichen Wirken bedürfe es auch eines neuen Miteinanders von kirchlichen Berufen und Ehrenamtlichkeit, sagte die leitende Theologin. Bei der Implementierung von Interprofessionellen Teams etwa sei die westfälische Kirche bundesweit bereits federführend.
Als letzten Punkt, der ihr am Herzen liege, nannte die Präses die Notwendigkeit, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Kirche mehr Raum zu gewähren. Sie prägten nicht nur die Zukunft von Kirche, sagte Ruck-Schröder, sie seien schon jetzt ein wichtiger Teil von ihr. Ihre Beteiligung erfordere einen Perspektivwechsel.
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