Zeichen des Friedens und der Versöhnung

Knabenchor Gütersloh führt Brechts „Kinderkreuzzug“ in Polen auf

Der Knabenchor Gütersloh sang in Polen. Foto: Knabenchor

Poznan/Gütersloh. „In Polen, im Jahr Neununddreißig“ - so beginnt die Ballade „Kinderkreuzzug“ von Bertold Brecht, in der er die Schrecken des 2. Weltkriegs verarbeitet. Fast auf den Tag genau 75 Jahre später, am Sonntag, 31. August, hat der Knabenchor Gütersloh Brechts Werk in der Vertonung von Ralf Yusuf Gawlick aufgeführt. Ein ebenso eindrückliches wie bewegendes Konzert, fand es doch am Vorabend zum Jahrestag des Ausbruchs des 2. Weltkriegs ausgerechnet im polnischen Pozna? (Posen) statt. Das Werk bildete den letzten, krönenden, Programmpunkt beim 11. Internationalen Knabenchor-Festival.

Auf der Grundlage des deutschen Polenfeldzugs erzählt das Gedicht in 35 Strophen von einem Zug hilfloser Kinder, die der Krieg zu Waisen gemacht hat. Sie tun sich zusammen, um dem Krieg zu entkommen und in ein Land zu fliehen, in dem Frieden herrscht. Ein Vorhaben, das am Ende scheitert: Die 55 Kinder finden den Weg nicht und sterben. Mit anrührenden und erschreckenden Bildern erinnert Brecht, der den „Kinderkreuzzug“ 1941 veröffentlichte, an die schrecklichen Folgen des deutschen Angriffs auf Polen.


Nachdem Brecht sich vergeblich um eine Vertonung durch Kurt Weill bemüht hatte, griff der deutsch-amerikanische Komponist Ralf Yusuf Gawlick (Boston) 2004 zum Notenpapier. Er komponierte den „Kinderkreuzzug“ als dramatische Kantate für Kinderstimmen, Orgel und kleines Kammerorchester mit Klarinette, Streichtrio und Altarglocken. Dabei ist es ihm kongenial gelungen, die existentiellen Bilder des Textes musikalisch zu verdichten. Polyphone Passagen und gezielt eingesetzte Dissonanzen unterstreichen die Hilflosigkeit der heimatlosen Kinder.


Dass es ausgerechnet Kinderstimmen aus Deutschland sind, die den „Kinderkreuzzug“ dort zu Gehör bringen, wo der 2. Weltkrieg seinen Anfang nahm, macht den Konzertabend in Pozna? zu einem bewegenden Ereignis. Einerseits ist es den Veranstaltern gelungen, ein Stück schuldbehaftete deutsche Geschichte anschaulich in Erinnerung zu rufen und ihm ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung entgegenzusetzen. Andererseits unterstreichen Ort und Besetzung die Aktualität des Stückes. Mit einem Mal sind den Zuhörerinnen und Zuhörern die Konflikte in Syrien und in der Ukraine, im Irak und im Gazastreifen ganz nah. Vor allem die vielen Kinder, die aktuell vor der Gewalt von Erwachsenen auf der Flucht sind.


Neben dem Knabenchor Gütersloh haben der Knabenchor der Chorakademie Dortmund, der Posener Knabenchor und das Orchester Sinfonietta Polonia unter der Leitung von Jacek Sykulski mitgewirkt. Zuvor gab Artur Ossowski in der Allerheiligenkirche eine Einführung in das Werk zum Thema „Kriegskindheit / Kindheit im Krieg“.


Der Knabenchor Gütersloh war insgesamt fünf Tage lang in Polen. Er hat sich mit drei Konzerten am 11. Internationalen Knabenchor-Festival beteiligt und dabei Werke von Johann Sebastian Bach, Benjamin Britten und Felix Mendelssohn-Bartholdy aufgeführt. Für die Messe von Britten gab es am Freitagabend ein dickes Lob vom Dirigenten des Knabenchors aus Poznàn. Am Samstagabend wurden die Gütersloher Jungs mit Standing Ovations belohnt.


„Die Konzertreise ist ebenso spannend wie anstrengend“, sagt Sigmund Bothmann, Leiter des Gütersloher Knabenchores. Durch die spät stattfindenden Konzerte bekämen die Sänger wenig Schlaf, müssten aber dennoch intensiv proben. Und das unter Rahmenbedingungen, die laut Bothmann nicht immer einfach seien. So gebe es etwa keine eigenen Einsingräume. Kein Problem für den pragmatischen Chorleiter: Er stellt kurzerhand sein Zimmer zur Verfügung, in dem sich die Jungen in kleinen Gruppen einsingen können, bevor es dann mit dem Bus zur nächsten gemeinsamen Probe mit den anderen Chören geht.


Immerhin eine Mühe, die sich lohnt. Dr. Hans-Werner Addicks, der als Vorsitzender den Chor auf dieser Reise begleitet, ist begeistert: „Das Ave Maria war fantastisch. Schön leise und fehlerfrei gesungen.“ Die überwiegend katholischen Zuhörerinnen und Zuhörer in Polen wird es gefreut haben.

tig